Petra kommt heim, fällt auf die Couch und macht den Fernseher an – mehr schafft sie nicht mehr und so geht das jeden Nachmittag. Petra ist Erzieherin.
Erzieher*innen haben mit überdurchschnittlich hohen körperlichen und seelischen Belastungen zu kämpfen. Einer Studie der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zufolge weisen etwa 10% der Erzieher*innen Burnout-Symptome auf. 77% fühlen sich durch zu große Kindergruppen stark belastet und über 50 % leiden zudem unter Lärm in der Kita. Die Studie nennt weiterhin Probleme mit Kindern, Zeitdruck, die Vielfalt der Aufgaben, Personalmangel und fehlende Pausenmöglichkeiten als Belastungsfaktoren.
Diese Überlastung ist mit körperlichen und seelischen Stressanzeichen verbunden. Typisch sind z. B. die erhöhte Anfälligkeit für Infektionen und psychosomatische Beschwerden.
Erziehen als Beruf wird meist von Menschen gewählt, die sehr begeisterungsfähig sind und ein hohes Maß an Idealismus haben. Diese Menschen stellen sehr hohe Ansprüche an sich selbst und neigen dazu, Probleme anderer auf ihre eigenen Schultern zu laden. Besonders engagierte Menschen erleben oft einen Alltag, der ihren hohen Idealen nicht entspricht. Sie müssen erkennen, dass z. B. häufig Konflikte mit Eltern vorkommen und viele dieser Konflikte nicht gelöst werden können. Wenn dann keine wirksamen Bewältigungsmechanismen entwickelt wurden oder werden, besteht die Gefahr, dass an die Stelle von Idealismus Unzufriedenheit, Überdruss und Erschöpfung treten.
Bedingt durch Personalmangel und die dadurch hohe Anzahl der Kinder, kommen Erzieher*innen mit einzelnen Kindern viel zu selten oder gar nicht mehr in Kontakt. Dadurch gibt es kaum Möglichkeiten, sich auch mit positiven und unproblematischen Seiten im Leben der Kinder auseinanderzusetzen.
ABER: All das ist keine ausreichende Erklärung für Burnout, denn die Ursachen sind auch immer in der eigenen Persönlichkeit und im Umgang mit sich selbst und dem eigenen Leben begründet.
Persönlichkeitstypen, die besonders Burnout gefährdet sind:
- Die Hingebungsvollen, die sich immer wieder und viel zu oft zu viel Arbeit aufbürden.
- Die Überengagierten die private Unzufriedenheit mit Perfektionismus im Beruf ausgleichen wollen.
- Die Autoritären, die sich auf Gehorsamsbereitschaft verlassen, um andere unter Kontrolle zu behalten.
- Die Mitfühlenden, die sich zu stark mit den Nöten und Problemen anderer Menschen identifizieren.
Besondere Belastungen durch die eigene Sichtweise
In allen helfenden Berufen arbeiten Menschen über unterschiedlich lange Zeitspannen in emotional belastenden Situationen mit anderen Menschen. In der Kita sind die Fachkräfte allen physischen, sozialen und psychischen Problemen der Kinder und ihrer Familien ausgesetzt. Man erwartet von ihnen sowohl Fachkenntnis, als auch persönliches Interesse am jeweiligen Kind und seinen Lebensumständen. Erzieher*innen müssen sich im Kontakt mit ihren „Kunden“ emotional beteiligen und häufig entstehen Situationen, in denen es weit über fachliche Kenntnisse hinaus auf das persönliche Engagement ankommt.
In einem die ganze Persönlichkeit fordernden Beruf haben die meisten Menschen Schwierigkeiten sich abzugrenzen. Die Probleme, die der Arbeitstag mit sich bringt, wirken oft am Feierabend und in der Freizeit nach. Um die eigene emotionale Beanspruchung zu verringern, können Erzieherinnen dazu neigen, Kindern gegenüber abweisend zu sein, oder sie entwickeln den Wunsch, sich möglichst wenig mit Eltern zu beschäftigen. Wird dieser große emotionale Stress nicht bewusst wahrgenommen, führt er zumeist direkt in ein Ausbrennen.
Als Gründe für die Berufswahl von Erzieher*innen werden von diesen hauptsächlich angegeben, dass sie im Leben viel Wert auf den Kontakt mit Kindern legen und deshalb auch mit ihnen arbeiten wollen. Es sind Menschen, die bereitwillig Verständnis, Trost, Hilfe und Zuwendung geben. Dabei haben sie häufig hohe Ansprüche an sich selbst und neigen dazu, Probleme anderer auf sich zu nehmen. Erzieher*innen haben meist ein gutes Einfühlungsvermögen für die Nöte und Probleme anderer Menschen. Diese Persönlichkeitseigenschaft intensiviert aber nicht nur das Mitgefühl, sondern auch das Mitleiden in schwierigen Situationen. Dieses intensive Mitleiden hilft niemandem – weder dem Kind, noch dessen Eltern. Im Gegenteil, es stellt für die Fachkraft eine andauernde Belastung dar, die zum Ausbrennen führen kann und genau deshalb ist es enorm wichtig, dass Erzieher*innen sich auf den Weg machen und lernen, sich um sich selbst zu kümmern.
Durch die unterschiedlichen und widersprüchlichen Gruppen und Erwartungen, denen sich Erzieher*innen in ihrem Beruf aussetzen – sie sollen Eltern, Kindern, Träger und der Öffentlichkeit gerecht werden, nehmen sie jeweils unterschiedliche Rollen ein. Man kann sich vorstellen, dass es sehr schwierig – ja unmöglich ist, all diese Rollen und Erwartungen zu erfüllen. Damit sind Rollenkonflikte Normalität, lösen Stress und Angst aus und können dadurch ein Burnout mitverursachen.
Umso wichtiger ist es, dass Persönlichkeitsentwicklung, Verantwortungsübernahme für das eigene Leben, die Fähigkeit sich abzugrenzen und mit sich selbst liebevoll umzugehen zu den Fähigkeiten und Fertigkeiten von Erzieher*innen gehören sollten, nur leider, leider, leider wird Selbstführung sowohl in den Ausbildungen, als auch in Weiterbildungen noch viel zu selten angeboten und angenommen.