Herzverwurzelt

von | 1. Juni 2024

In diesem Gastbeitrag von Lisa Olah ist der Name Programm. Lisa ist Fachpädagogin und arbeitet mit Kindern im Wald. Allüberall sieht und findet sie Herzen und sie HAT ein großes Herz. Sie ist Multiplikatorin für gewaltfreie Pädagogik und Botschafterin in Sachen Kinderschutz. Sie engagiert sich in der Präventionsarbeit bezüglich sexualisierter Gewalt im Verein „Nein, lass das!“. Lisa Olah bietet Fortbildungen und Beratungen für Eltern und Pädagog*innen an und ich empfehle sie all jenen, die liebevolle Klarheit schätzen und sich empathische Begleitung wünschen.

„Hör jetzt auf zu weinen, das hält man ja im Kopf nicht aus!“

Wie lernen wir mit Gefühlen und Emotionen umzugehen?

Ohne Co- Regulation keine Selbstregulation!?

Immer häufiger begegnet mir dieses Thema im privaten, sowie im beruflichen Umfeld. Ich habe den Eindruck als stellt es sich für Kinder und im Umkehrschluss für Familien als Herausforderung dar. Dies zeigt sich in Machtkämpfen, Wutanfällen, Diskussionen, “wenn dann…-Sätzen“ und vieles mehr.

Wie ist das denn jetzt mit den Gefühlen und Emotionen? Gibt es da ein Geheimrezept, wie lernen wir Menschen damit umzugehen? Wo sind Grenzen und Möglichkeiten? Dieses Thema ist unglaublich groß und komplex. Die folgenden Zeilen sind Gedanken und Erkenntnisse. Worte, die inspirieren und zum Nachdenken anregen dürfen. Jeder Mensch, der diese Zeilen liest, darf sich herausnehmen, was für ihn bedeutsam, schlüssig und wichtig ist. Ich möchte ein Beispiel nutzen, um es zu veranschaulichen. Beim Laufen lernen ist es (scheinbar) selbstverständlich und akzeptiert. Ein Kind fällt beim Prozess des laufen Lernens abermals hin.

Wir Erwachsenen und in erster Linie die direkten Bezugspersonen begleiten die heranwachsenden Kinder in diesem Prozess. Wir geben dem Kind die Hand, ermutigen es, feuern es an, freuen uns mit ihm über jeden einzelnen Schritt. Wir strahlen über beide Ohren, klatschen, schenken Zuspruch. Wir würden vermutlich nicht auf die Idee kommen, mit dem Kind zu schimpfen, wenn es hinfällt, oder uns mit ihm auf den Boden fallen lassen und liegen bleiben. Wir würden vermutlich nicht sagen „So, jetzt ist aber Schluss! Ich kann deine „Hinfallerei“ jetzt nicht mehr aushalten, lass es einfach. Das hat eh keinen Sinn. Du wirst das nie lernen“. Wir haben die natürliche Zuversicht und die Erwartung, dass unser Kind laufen lernt (ausgenommen Kinder, die aus unterschiedlichen Gründen nicht laufen können und auf eine alternative Fortbewegungsart angewiesen sind).

Anders sieht es hier erfahrungsgemäß scheinbar im Umgang mit Gefühlen und Emotionen aus! Hier erwarten oder wünschen sich viele Erwachsene (offenbar,) dass Kinder bereits mit der Fähigkeit auf die Welt kommen, ihre Gefühle und Emotionen zu kennen, zu benennen und Strategien für sie zu haben. Bestenfalls möglichst kompatibel und entsprechend den eigenen Erwartungen und Bedürfnisse. Außerdem gehen sie davon aus, dass Kleinkinder dazu in der Lage sind einen Perspektivwechsel einzunehmen, empathisch und rücksichtsvoll zu sein und immer die Kontrolle über ihre innere Welt haben. Einige, um nicht zu sagen viele Erwachsene haben den Eindruck oder bekommen es von außen eingeredet, dass Kinder dazu in der Lage sind, strategisch ihre Eltern und primären Bezugspersonen zu manipulieren und für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

Mit den Gefühlen und den Emotionen ist das genauso wie beim Laufen lernen. Wir werden geboren und müssen/ dürfen alles von Grund auf lernen. Auf diesem Weg sind die Kinder insbesondere in den ersten Lebensjahren auf eine Co- Regulation angewiesen. So wie sie vor dem Laufen lernen zunächst getragen oder im Kinderwagen geschoben werden oder sich alternativer Fortbewegungsmöglichkeiten bedienen, bis sie selbstständig laufen können.

Wir brauchen Menschen, die uns begleiten, um einen konstruktiven Umgang mit unseren Gefühlen und Emotionen zu erlernen. Die das Bedürfnis und die Not hinter unserer Emotion ergründen. Die uns helfen Strategien zu entwickeln, um adäquat und konstruktiv mit unserer Gefühls- und Emotionswelt umzugehen. Menschen, die sich ihrer eigenen inneren Welt bewusst sind, sich auf den Weg machen, sie zu erkennen und sich in ihr zurecht zu finden. Menschen, die zwischen Person und Verhalten unterscheiden. Die Gefühle und Emotionen ernst nehmen und nicht die „Schuld“ beim Kind suchen, sondern Verantwortung übernehmen. Die aus (immer wiederkehrenden) Machtkämpfen aussteigen und Wege der Verbindung und Beziehung finden.

Nicht Macht über, sondern Macht miteinander!

Menschen, die ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen kennen und ernstnehmen – nur so können unsere Kinder das auch lernen – „Lernen am Modell“ (Bandura). Nicht, indem wir ihre Gefühle und Emotionen bewerten, sie ihnen absprechen, verbieten, sie herunterspielen, konditionieren oder selbst mit einsteigen.
Kennen Sie folgende Beispiel- Sätze?

„Jetzt hör auf so wütend zu sein!“
„Wenn Du jetzt nicht aufhörst, dann gibt es später kein Eis!“
„Jetzt mach hier nicht so ein Theater!“
„Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“
„Jetzt übertreib nicht, so schlimm ist das gar nicht!“
„Nur die Harten kommen in den Garten“

Hat jemand einen oder mehrere dieser Sätze zu Ihnen gesagt? Haben Sie einen oder mehrere Sätze schonmal selbst gesagt? Wie wirkt das auf Sie? Was macht das mit Ihnen?

Indem wir Kindern, wie beim Laufen lernen zugestehen, dass sie üben und lernen dürfen, befähigen wir sie unter anderem nachhaltig dazu sich selbst zu regulieren, einen gesunden und sozial verträglichen Umgang mit Gefühlen und Emotionen zu entwickeln, selbstständig, selbstwirksam und selbstbewusst zu werden und ermöglichen eine umfassende Prävention von möglichen psychischen und körperlichen Erkrankungen.

WIR LERNEN EIN LEBEN LANG!

Insbesondere durch Situationen, in denen etwas entgegen unseren Erwartungen, Vorstellungen und Ansprüchen läuft. Außerdem durch Herausforderungen, in denen wir Lösungen finden dürfen. Es ist wichtig, dass wir immer die Integrität unseres Gegenübers wahren und spüren, wo wir aufhören, und wo der andere anfängt.

Ist es MEIN THEMA (Gefühl) oder ist es das Thema (Gefühl) meines Gegenübers?

Kinder brauchen Hilfe, Unterstützung und Begleitung durch empathische, zugewandte Menschen. Hierbei ist der sensible Umgang mit den eigenen und den Grenzen des einzelnen Kindes wichtig. Wir wollen Kinder nachhaltig befähigen und stärken. Gehen wir mit gutem Beispiel voran, reflektieren und hinterfragen wir uns selbst und lassen uns auf einen wechselseitigen Wachstums- und Lernprozess ein.

Es geht nicht darum alles perfekt und fehlerfrei zu machen, sondern ein Bewusstsein und eine Haltung zu entwickeln, die auf gegenseitiger Wertschätzung basiert. Der Umgang mit Gefühlen und Emotionen wird leichter, wenn wir von Anfang an, (schon im Mutterleib) von der Wurzel beginnend dem Kind eine Grundlage bieten, die es ihm ermöglicht alles zu lernen, was es braucht, während es von seinen Bezugspersonen getragen wird.

Keine leichte Sache und eine Notwendigkeit, die durch eine entsprechende Haltung auch in herausfordernden Momenten die Verbindung aufrecht erhält in der wir ZUSAMMEN auf einer Seite kämpfen – MITEINANDER statt gegeneinander!

Wenn Sie mit Lisa Olah Kontakt aufnehmen möchten und auf der Suche nach viel Herzen sind, hier finden Sie die Autorin und dazu noch starke Wurzeln:

lisa.olah3@gmail.com
https://www.instagram.com/herz_verwurzelt/