Alle Menschen wollen geliebt werden, dazugehören und nur das Beste für Kinder.
Doch was ist das eigentlich – dieses Beste? Geld kann es nicht sein, denn es hat sich schließlich herumgesprochen, dass Geld alleine nicht glücklich macht. Auch Gesundheit kann man nicht kaufen oder sich für sich selbst oder jemanden anderen herbeiwünschen. Es bleibt also das hohe Gut der Bildung, denn sie ist nach der PISA-Studie definitiv käuflich. Also brauchen wir alle, vor allem unsere Kinder, am besten sehr, sehr viel von dieser teils ominösen Bildung. Natürlich nur von der allerbesten Bildung, die verfügbar ist – und genau hier beginnt das große Problem, denn keiner kann genau wissen, was das Beste für einen anderen ist – das trifft sowohl auf Eltern, auf Erzieher, als auch auf Lehrer zu. Was diese beste Bildung genau zu sein und darzustellen hat, erscheint dabei oft nebulös, weil jeder diesen Begriff anders definiert. Was wir jedoch als etablierte Tatsache annehmen dürfen: Bildung hat definitiv etwas mit Lernen zu tun – und das ist der Punkt, an dem ich mich berufen fühle, etwas zum Thema beizutragen.
Ich arbeite seit fast drei Jahrzehnten mit Kindern und Erwachsenen, dabei geht es immer um die Themen Lehren und Lernen. Dabei beschäftige ich mich sowohl theoretisch, als auch praktisch mit (Hoch-)begabung, gewaltfreier Erziehung, Bindung, Diagnostik und Potenzialentfaltung. Das primäre Ziel meiner Arbeit ist die Begleitung junger, aber auch älterer Menschen hin zu einem Leben, in dem sie lernen, sich wohl zu fühlen, das sie erfüllt – kurz gesagt, ein Leben, mit dem sie wirklich zufrieden und glücklich sind. Ja, Sie lesen richtig – ich bin davon fest überzeugt – man kann lernen, glücklich zu sein, es ist nur eine Frage der inneren Einstellung!
Wir lernen tatsächlich alle die ganze Zeit, ob wir das nun wollen oder nicht. Der Neurobiologe Manfred Spitzer und seine geschätzten Kollegen wie Singer, Roth, Hüther u.v.a.m., behaupten, unser Gehirn lernt immer, es kann gar nicht anders – weil es genau dafür gemacht ist. Was Lernen bedeutet und unter welchen Bedingungen Menschen am besten lernen, darum geht es in diesem Buch. Denn eigentlich wäre Lernen mit Leib und Seele ganz einfach, wenn wir es nicht so kompliziert machen würden!
Für mich als Pädagogin und Erziehungswissenschaftlerin stellten sich schon immer diese Fragen: Wie kann ich Kinder und Erwachsene möglichst pragmatisch dabei unterstützen, mit ihren Unsicherheiten umzugehen? Was kann ich tun, damit nachhaltiges Lernen gelingt? Mein großer Wunsch ist es, dass möglichst viele Menschen wirklich grundlegend zufrieden leben, denn je mehr Menschen genau das Leben führen, das sie sich wünschen – und das vor allem ihren echten Talenten entspricht – desto eher werden wir in einer anderen, friedlicheren Welt leben und gelassen(er) mit allen eventuellen Unsicherheiten umgehen.
Wie wichtig dabei Ambiguitätstoleranz ist und wie fragil psychische Gesundheit, hat uns der Umgang mit Covid19 deutlich gezeigt. Die – auch dadurch – auftretende zunehmende Spaltung der Gesellschaft zeigt eindeutig, dass Bildung nicht die Zauberformel für Glückseligkeit sein kann, wenn sich auch vermeintlich hochgebildete Menschen plötzlich gegenseitig gnadenlos das Messer an die Brust setzen. Und was ist eigentlich mit all jenen Menschen, die sich keine Bildung kaufen können, sind sie chancenlos oder profitieren gerade sie von unserem oft gescholtenen Bildungssystem, das vielleicht gar nicht so schlecht wie sein Ruf ist? In der Hattie-Studie konnte klar belegt werden, dass nichts für erfolgreichen Unterricht so wichtig ist, wie der Lehrer selbst. Ob Kinder in Gruppen arbeiten oder der Lehrer ausschließlich frontal unterrichtet, spielt nur eine untergeordnete Rolle, denn es ist der Mensch, der zählt. Dies wird speziell betreffend die jüngeren Kinder durch die Bindungsforscherin Fabienne Becker-Stoll, die sich mit der Erzieherinnen-Kind-Bindung beschäftigt, glasklar bestätigt.
Was genau wissen wir denn zum Thema Lernen und Bildung? Man weiß: Gute Laune macht glücklich. Man weiß: Angst ist ein schlechter Lehrmeister. Und man weiß auch: Alle jene Menschen, die lehren, sollten viel öfter positiv gestimmt sein, außerdem beziehungswillig, beziehungsfähig und natürlich nachahmenswerte Vorbilder! Wow. Diese Aussage macht jetzt irgendwie Druck, oder? Sollen wir wirklich alle perfekt sein? Denn wir sind ja im Prinzip tatsächlich alle Lehrende, mit dieser Bezeichnung meine ich durchaus nicht nur Eltern, Großeltern oder studierte Lehrer, sondern alle Menschen überhaupt. Nein, wir müssen nicht alle perfekt sein. Wir haben ohnehin nicht die geringste Chance, Perfektion auch nur annähernd zu erreichen. Aber was wir tun können, ist, uns selbst genauer anzuschauen, kennenzulernen und uns in Gelassenheit genau so anzunehmen, wie wir sind. Und vor allem auch unsere Kinder anzunehmen, wie sie sind und deren Entwicklung betreffend nicht dem totalen Optimierungswahn anheimzufallen.
Vera Birkenbihl beschrieb in ihrer These der Freundlichkeitenkette den „Schneeballeffekt der Freundlichkeit“, den Joachim Bauer durch die Resonanztheorie bestätigt. Meine Großmutter zum Beispiel kannte diese Theorien alle nicht, aber sie kannte das Prinzip – ihre Worte für diese Effekte waren: “Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus!“
Was hat all das nun mit Bildung, Lernen, Mut und Gelassenheit zu tun? Sehr viel, wie ich meine, denn alles hängt auch hier systemisch mit allem zusammen. Es ist wie in der Natur, und wir sind schließlich alle ein Teil der Natur. Die Bildungslandschaft, in der die meisten von uns sich bewegen (müssen), gleicht mehr und mehr einem undurchsichtigen und teilweise sogar undurchdringlichen Dschungel, in dem so mancher Beteiligter zunehmend den Überblick verliert. Dabei hängt betreffend erfolgreiches Lernen und echte sowie nachhaltige Bildungserfolge so viel davon ab, den vollen Durchblick zu bewahren und niemals aus den Augen zu verlieren, was das eigentliche Ziel ist. Denn im Grunde geht es doch auch hier nur um eines – wir wollen alle geliebt werden und dazugehören – also systemrelevant sein. Und wir übersehen leider viel zu oft, dass wir all dies bereits sind. Würden wir uns dieser Tatsache erst einmal so richtig bewusst, wäre es für uns alle viel leichter, mit Mut und Gelassenheit diesen doch eher wilden Ritt durch den Bildungsdschungel inklusive Optimierungswahn zu überleben. Und weil ich mir wünsche, dass so viele Menschen wie möglich in diese neue, schöne Gelassenheit kommen, den galoppierenden Aktionismus hinter sich lassen und sich ab und an auch einer köstlichen Faulheit hingeben, habe ich „Das Faultier-Prinzip“ geschrieben.
Ich verknüpfe in diesem Buch verschiedene wissenschaftliche Gebiete, sodass Pädagogik, Psychologie, Soziologie, Philosophie und noch ein paar andere Disziplinen nicht nur lehrreich und informativ sind, sondern sich auch stimmig ergänzen. Es war mir dabei auch ein unbedingtes Bedürfnis, diese Themen leicht und humorvoll abzuhandeln. Denn als Pädagogin mit einem Vierteljahrhundert an Lehr-, Lern- und Lebenserfahrung weiß ich heute ganz genau: Lernen funktioniert nur mit Leib und Seele! Was für den Leib die Inhalte sind, sind für die Seele die Gefühle und dabei vor allem die Freude, das Vergnügen und der Spaß! Das weiß nicht nur ich, damit beschäftigt sich seit einigen Jahren ein junger Wissenschaftszweig, die Lachforschung, die Gelotologie. Sie untersucht die Auswirkungen von Lachen und beweist das alte Volkswissen, dass Lachen gesund ist bzw. gesund macht, was im Übrigen auch alle Untersuchungen der Psychoneuroimmunologie bestätigen. Und um auch den Faktor Gelassenheit und ja – ein wenig Faulheit, die uns allen von Zeit zu Zeit sehr gut tun würde -, abzudecken, habe mich mir zum Schreiben versierte tierische Hilfe geholt!
Sie, liebe Leser*innen, erfahren in diesem Buch, dass Lernen mit Humor und Freude gelingen kann und Bildung nicht durch Verbissenheit und Erfolgsdruck zustande kommt. Sie werden außerdem erfahren, dass ein mutiges Leben mit Gelassenheit und dem unerschütterlichen Glauben an sich selbst und an die Kraft unserer eigenen menschlichen Natur so leicht möglich ist und vor allem Spaß macht. Und Sie werden erfahren, dass man auch an das Unglaubliche glauben darf, wie ich es im Laufe des Entstehens dieses Buches so eindrucksvoll erleben durfte.
Ich wage zu behaupten, dass es sich bei diesem Buch um klassisches Infotainment handelt, weil Wissenschaft Wissen schafft und diese Wissensvermittlung durch mich und ein imaginäres Faultier erfolgt. Ich habe dieses Stilmittel gewählt, weil ich mich, seit ich bewusst denken kann, mit allen Arten von Tieren beschäftige und überzeugt bin, dass wir von Tieren immens viel lernen können. Und von Faultieren noch viel mehr. Denn sie sind – entgegen der weit verbreiteten Meinung – nicht im geringsten faul, sondern verfügen im Gegenteil über eine äußerst intelligente und nachahmenswerte Geschicklichkeit im Einteilen ihrer Kräfte und Ressourcen und stellen damit den lebendigen Beweis von gelebter Systemrelevanz dar.
Ich lade ich Sie ein, mich auf eine aufregende und spannende Reise in die Welt des echten Dschungels, in dem Faultiere an Ästen hängen, wie auch in den imaginären, aber doch sehr realen Bildungsdschungel, zu begleiten. Sie werden während dieses Abenteuers zahlreiche neue Einsichten über Bildung erhalten und am Ende mit Leib und Seele vieles über das echte und freudvolle Lernen und vor allem über sich selbst gelernt haben. Frieda wartet … wollen Sie sie kennenlernen?