Musikalische Förderung im Kindergarten – (k)ein Kunststück?

von | 13. April 2021

Ich danke der Vollblutmusikerin, Erzieherin und Grafikerin Petra Görgen, Autorin von „Sorgenkind Kita – Die Wahrheit über den Alltag im Kindergarten“, für diesen wertvollen Gastbeitrag.
https://tredition.de/autoren/petra-goergen-32703/

Wie bei so vielen Themen im frühkindlichen Förderbereich, scheiden sich auch beim Thema „Musikalische Frühförderung“ gewaltig die Geister. Auf der einen Seite wird hohe Professionalität all derer eingefordert, die Kindern vor dem Schuleintritt Musik nahebringen sollen, auf der anderen Seite gibt es Stimmen, die sagen: „Hauptsache, das Kind kommt irgendwie mit Musik in Berührung, bevor es seine Kindergartenzeit komplett ohne Musik verbringt.“ Und ja – es gibt tatsächlich Kitas, in denen keinerlei Musik zu hören ist: weder durch Gesang, noch digital und erst recht nicht mithilfe von Instrumenten.

Es gibt wirklich keine Diskussion mehr darüber, dass Musik ganz wesentlich zur geistigen und auch körperlichen Entwicklung eines Kindes beiträgt. Musik löst Emotionen aus und fängt sie auf, ist Rhythmik, ist Mathematik, erhöht die Multitasking-Fähigkeit, ist Sprachförderung, hilft, sich zu konzentrieren und sich Dinge einzuprägen, fördert das Sozialverhalten, ist Ritual, ist spannend und entspannend, weckt Erinnerungen, macht mutig, verändert uns, macht kreativ, versteht jeder, verbindet, ist Leidenschaft und macht einfach Spaß!

Musik findet in jeder Alltagssituation Platz. Kinder sind unwahrscheinlich dankbar für jedes Lied, das sie vorgesungen bekommen oder sogar selber lernen und mitsingen dürfen. Sie lieben auch Rhythmen jeder Art. Man wundert sich, dass selbst die schüchternsten und ruhigsten Kinder plötzlich aus sich herausgehen, dass Kinder mit sprachlichen Problemen auf einmal die kompliziertesten Texte beherrschen und dass man mit Musik Kinder in allen Bereichen motivieren kann. Sie bringt die Kleinen in Bewegung, sie bringt sie zur Ruhe, sie läutet Regeln oder Tagesabschnitte ein, sie macht in vielen Fällen sogar lästige Aufforderungen unnötig.

Dies sind ohne Zweifel unschlagbare Argumente dafür, Kinder nicht nur im Elternhaus, sondern auch während der gesamten Kindergarten- und Schulzeit musikalisch zu fördern. Leider ist es die große Ausnahme, dass Erzieher*innen musikalisch professionell ausgebildet oder zumindest gute Amateur-Musiker*innen sind. Was also tun, um die musikalische Förderung in Kitas zu gewährleisten, ja sogar auf hohem Niveau abzusichern?

Kriterien für wertvolle Musik im Kita-Alter

An erster Stelle steht der Mensch mit seiner Leidenschaft zur Musik. Trägt er diese nicht in sich, kann er sie auch nicht ans Kind weitergeben. Musikalität, z.B. das Treffen der Töne, das Einschätzen können der richtigen Tonlage, neue Lieder erarbeiten (also entweder nachsingen oder Noten lesen) und einen Rhythmus halten können, sollten die Grundvoraussetzungen dafür sein, Musik an Kinder weiterzugeben. Nicht weniger wichtig aber ist es, Qualität von Musik erkennen zu können! Genau wie bei Bilderbüchern, finden wir auf dem Musikmarkt für Kinder sehr gute, aber leider auch unfassbar schlechte Qualität.

Woran erkennt man gute Qualität?

  • vorwiegend echte Instrumente (Keyboard/Synthesizer nur als Untermalung)
  • klare Töne und Tonfolgen
  • dem Reifegrad angemessener Tonumfang
  • angemessene Texte/Melodien
  • angepasste Stimmlage/Tonart
  • sauberer Gesang von Erwachsenen oder/und Kindern
  • gute Sprache (keine Umgangssprache)
  • viel Wiederholung
  • Vielfalt an Musikstilen

Vielfalt bedeutet vor allem, dem Kind die Bandbreite der Musik nahezubringen, sein Gehör zu schulen, es zu sensibilisieren. In fast jedem Musikgenre finden wir gute und schlechte Qualität. Diese herauszuhören, erfordert Wissen, Gespür und Übung.

Klassik für Kinder

Klassik folgt einer ganz klaren Kompositionslehre, besitzt eine nachvollziehbare Struktur und ist in den meisten Fällen die Basis für fast jede Musikrichtung. Kinder lieben erfahrungsgemäß klassische Musik, wenn sie damit etwas in Verbindung bringen können. Es gibt einige bekannte Werke, die Geschichten erzählen durch sogenannte „Musikmalerei“, z.B.

„Peter und der Wolf“ (Peter Tschaikowski)
„Karneval der Tiere“ (Camille Saint-Saens)
„Bilder einer Ausstellung“ (Modest Mussorgsky) etc.

Diese klassischen Werke kann man entweder den Kindern selber nahebringen, wenn man die Kompetenz dazu besitzt, es gibt aber auch die Möglichkeit, sie mithilfe von Hörspielen zu erarbeiten. Nicht nur der Inhalt der Stücke ist eine Bereicherung. Klassische Musik eignet sich wunderbar dazu, Instrumente herauszuhören und benennen zu können. In kaum einem Musikgenre finden wir so viele unterschiedliche Musikinstrumente, wie in der klassischen Musik.

Bewegung nicht vergessen!

Erstaunlicherweise sehen Musikkreise oft so aus, dass Kinder ruhig am Boden oder auf Stühlchen sitzen und „ordentlich“ mitsingen müssen. Wer unruhig wird, weil er einen ganz natürlichen Bewegungsdrang verspürt, bekommt nicht selten Ärger. Aber Tanz und Bewegung gehören nicht nur zur Musik dazu, sie vertiefen das neu Erlernte, fördern das Rhythmus- und Körpergefühl und die Bewegungsfreude. Hierbei geht es nicht darum, Leistung abzurufen oder auf irgendwelche Events für die Eltern hinzuarbeiten. Druck und Erwartungshaltung seitens der Fachkräfte sind hier vollkommen fehl am Platz. Es muss Raum geschaffen werden für das, was an der Musik das Wichtigste ist: Freude und Hemmungslosigkeit. Im Übrigen kann man auch umgekehrt Bewegung mit Musik verbinden – nämlich beim Turnen!

Die Aufgabe der Akademien und Träger

Die Problematik der Kitafachkräfte, Qualität zu erkennen und passende musikalische Angebote für die Kinder auszuwählen, liegt zu einem großen Teil darin begründet, dass sie in ihrem bisherigen Leben und auch während ihrer Ausbildung nicht genug sensibilisiert wurden – im schlimmsten Fall an Lehrer*innen geraten, die selber nur sehr schlichte Kindermusik vermitteln. Hier muss ein Umdenken stattfinden. Nicht alle Musiklehrer*innen sind automatisch gute Musiker*innen. Es wäre daher sinnvoll, erfahrene Seminarleiter*innen an die Akademien zu holen – für Lehrkräfte und Schüler*innen gleichermaßen.

Die Kita-Träger müssen ebenfalls dafür Sorge tragen, dass ihre Mitarbeiter*innen regelmäßig an solchen Seminaren verpflichtend teilnehmen.

Outsourcing

Ja, es ist eine Frage des Geldes, nicht jede Einrichtung kann es finanzieren und dennoch wäre es sehr sinnvoll, Profis in eine Kita zu holen, die mit den Kindern musizieren. Dies passiert bereits in vielen Einrichtungen, auch in anderen Bereichen, wie Kunst, Logopädie, Sport/Psychomotorik, Naturwissenschaften, Naturerlebnisse etc. Warum also nicht auch im Bereich „musikalische Frühförderung“?

Empfehlungen

Hier ein paar Empfehlungen mit Verlinkung zur jeweiligen Seite der Komponist*innen, die teilweise auch Seminare für Erwachsene oder regelmäßig Konzerte für Kinder veranstalten. Viel Spaß beim Reinhören und vor allem beim Begeistern der offenen Kinderohren- und herzen.

https://www.kindersause.de/shop/
https://www.astridhauke.de/
https://elke-gulden.de/institut/
http://dorotheekreusch-jacob.com/werke/cds.html
https://www.robert-metcalf.de/home.html
https://www.musik-fuer-dich.de/musik-fuer-kinder-und-familien
https://www.sternschnuppe-kinderlieder.de/
http://www.eule-findet-den-beat.de/
https://markosimsa.at/