Warum ich SEELENPRÜGEL schreiben musste

von | 17. Dezember 2019

Kindesmisshandlung ist keine Ausnahme, sie ist die Regel. In Deutschland leben ca. 13 Millionen Kinder. Ich behaupte, dass die meisten dieser Kinder in ihren ersten 10 Lebensjahren misshandelt werden. Den größten Anteil der Gewalt an Kindern stellt dabei die psychische Gewalt dar. Kinder werden eingeschüchtert, gedemütigt, zurückgewiesen, beleidigt, erpresst, feindselig behandelt, verängstigt, ausgegrenzt, lächerlich gemacht, bedroht, isoliert und ignoriert. Ihre kindlichen Bedürfnisse und Rechte werden damit massiv missachtet, und sie bekommen mit Sicherheit nicht jenes emotionale Gerüst, das sie für ein rundum gesundes und emotional stabiles Aufwachsen brauchen.

Diese seelischen Gewalttaten, oder Seelenprügel, wie ich das nenne, sind nicht nur, wie es bei körperlicher Gewalt meist der Fall ist, im rein häuslichen Umfeld zu finden. Diese psychische Gewalt ist institutionalisiert und findet in zahlreichen Kinderkrippen, Kindergärten, Horten und Schulen statt.

Seit über 10 Jahren beobachte und erfahre ich Unglaubliches und genau diesem Grund war es mir eine dringende persönliche Mission, das Buch „Seelenprügel – Was Kindern in Kitas wirklich passiert. Und was wir dagegen tun können.“ zu schreiben. Es gab keinen „Auslöser“ für die Entscheidung – es war ein Prozess der Bewusstwerdung und ich konnte nicht länger ertragen zu wissen und zu schweigen …

Das Buch ist am 30. September dieses Jahres erschienen. Und seitdem ist nichts mehr, wie es war. Ich hatte mir natürlich eine möglichst hohe Resonanz auf das Buch und die entsprechend folgende Aufmerksamkeit gewünscht, um etwas zu bewegen, um auf die Zustände in vielen Einrichtungen hinzuweisen. Aber das, was seit dem Erscheinen geschah, übertraf alle meine Erwartungen. Das Buch hat bei zahlreichen Schlüsselmedien, Print, Online wie Fernsehen, außergewöhnlich hohes Interesse ausgelöst und eine sehr positive qualitative Berichterstattung erhalten. Es befindet sich nach dieser kurzen Zeit bereits in der dritten Auflage, das Interesse scheint ungebrochen. Es hat genau jene Debatten bei Eltern, ErzieherInnen und Einrichtungen ausgelöst, die mein Ziel waren mit dem Schreiben dieses Buches. Dafür bin ich sehr dankbar!

Zahlreiche Eltern kontaktieren mich und erzählen mir von Vorfällen, die die Erkenntnisse aus meinen langen Praxisjahren weiter bestätigen. Auch viele ErzieherInnen riefen mich an oder schrieben mir seit dem Erscheinen des Buches, dass sie so froh wären, dass es endlich jemand aussprach, das an sich Unaussprechliche. Nämlich dass sich einige – bei weitem nicht alle – KollegInnen Kindern gegenüber äußerst psychisch brutal, herablassend, wenig wertschätzend oder sogar offen boshaft und quälend verhalten.

Ich habe natürlich auch sehr viel Gegenwind bekommen, vor allem von Seiten einiger Fachkräfte, die mich beschuldigten, einen ganzen Berufsstand an den Pranger gestellt zu haben. Diesen Gegenwind habe ich erwartet. Er ist der Preis dafür, sich für diejenigen einzusetzen zu dürfen, die sich noch nicht wehren können. Und diesen Preis zahle ich gerne! An dieser Stelle ist es mir besonders wichtig zu betonen – was ich auch im Buch selbst immer wieder explizit erwähne – dass die meisten Menschen in den Kitas einen großartigen Job verrichten und die ihnen anvertrauten Kinder liebevoll betreuen. Mir ging es mit SEELENPRÜGEL darum, auf die leider immer noch viel zu oft vorkommenden Ausnahmen hinzuweisen, jene faulen Äpfel im Korb, die ihr Umfeld langsam und schleichend vergiften und die dringend entfernt werden müssen!

Dazu ist Aufklärung über die wahren Vorgänge dringend nötig. Denn nur, wenn es gelingt, Erziehungsberechtigten jene Vorfälle aufzuzeigen, wie sie tagaus, tagein und landauf, landab, in Kitas, Schulen und anderen Bildungseinrichtungen auftreten, können diese näher hinsehen und feststellen, was sich an dem Ort, dem sie ihr Kind täglich anvertrauen, tatsächlich abspielt.

Seelische Misshandlungen hinterlassen keine äußeren Spuren. Sie sind unsichtbar wie Luft, aber doch zerstörerisch wie ein Orkan. Sie schlagen tiefe emotionale Wunden. Diese Seelenprügel beeinflussen sowohl die kindliche Entwicklung, als auch das Erleben, Verhalten und die psychische Gesundheit im Erwachsenalter. Genau darauf bezieht sich mein großes Anliegen mit diesem Buch: Verstärkt darauf aufmerksam zu machen, welche verheerenden Folgen seelische Verletzungen durch verbale und nonverbale Grausamkeiten an Kindern auslösen können.

Es muss – vor allem auch bei psychischer Gewalt – sehr viel schneller und sehr viel öfter eingegriffen werden, um Kinder zu schützen. Es muss endlich genauer hingesehen werden! Es ist höchste Zeit, gewisse gesellschaftliche Spielregeln und bisher tolerierte Verhaltensweisen aufzuzeigen, furchtlos zu hinterfragen und ein generelles Umdenken bei Eltern, Fachkräften

sowie den Verantwortlichen in der Politik zu fordern. Deswegen musste ich dieses Buch schreiben. Wenn es mir gelungen ist, die Karten für nur einige Kinder neu zu mischen und ihnen dadurch ein respektvolleres und geschützteres Aufwachsen zu ermöglichen, habe ich mein Ziel erreicht.

Ihre

Anke Elisabeth Ballmann