Vor ein paar Tagen hat RTL mit seiner Sendung „Train Your Baby Like a Dog – Die Hund-Kind-Methode” die Entwürdigung der Kinder auf ein neues Level katapultiert. Saßen vor einigen Jahren die Kinder der Sendung die „Supernanny“ sehr medienwirksam noch auf der „stillen Treppe“, werden angebliche „Problemkinder“ jetzt von einer Hundetrainerin in Richtung Kadavergehorsam geklickert. Für mich ist dies wieder einmal ein unerträgliches und unfassbares Beispiel, was Kindern in unserer Gesellschaft angetan wird!
Compliance-Techniken wie Belohnungslisten und Klickertraining bestechen Kinder, damit sie sich auf eine bestimmte Weise verhalten. Grundlage all dieser Belohnungs- und Bestrafungsmethoden ist der Behaviorismus. Die in den 50er Jahren entstandene Behavioristische Theorie (Watson, Skinner, Pawlow) geht davon aus, dass bestimmte Verhaltensweisen Reaktionen auf bestimmte Reize in der Umwelt eines Menschen sind.
Menschen, die sich nicht besonders gut mit Menschenwürde, aktueller Entwicklungspsychologie, Bindungsforschung, Hirnforschung, Lehr- und Lernforschung auskennen, z. B. manche Hundetrainer, gehen davon aus, dass Kinder ihr Verhalten kontrollieren sollten. In Wirklichkeit kommunizieren diese Kinder, dass es ihnen nicht gut geht. Es ist daher von essenzieller Bedeutung, dass Eltern, Erzieher, Lehrer oder Therapeuten versuchen, herauszufinden, was uns Kinder mit ihrem Verhalten tatsächlich „sagen“ wollen.
Belohnungsstrategien funktionieren zwar kurzfristig auf eine gewisse Weise fast immer und zeigen meist schnelle Ergebnisse, aber meiner Erfahrung nach sind sie langfristig weitgehend unwirksam. Sie gehen nämlich leider davon aus, dass Kinder sich absichtlich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten (was im Großen und Ganzen nicht der Fall ist), offerieren keinerlei Zeit und Möglichkeit, herauszufinden, was ein Kind gerade wirklich aufregt und geben keine Bewältigungsstrategien vor. Stattdessen werden Kinder durch die Belohnungsstrategien ermutigt, ihre wahren Gefühle zu unterdrücken, nur, um ganz sicher die Belohnung zu bekommen!
Außerdem vermittelt diese Erziehungsmethode Kindern eine völlig falsche Botschaft, indem sie sie glauben lässt, dass sie immer tun sollen, was man ihnen sagt, ohne dies auch nur ansatzweise zu hinterfragen. Zudem stellt sich die Frage, wann man mit diesen Techniken aufhören sollte und was vor allem passiert, wenn irgendwann niemand mehr da ist, der einem Kind sagt, was es tun soll. Es besteht dann nämlich die große Gefahr, in Kindern den gefährlichen Trugschluss auszulösen, dass sie es anderen immer recht machen müssen, was später ziemlich sicher dazu führen wird, dass sie sich schikanieren lassen, Mobbingopfer werden und sich ihr zukünftiger Selbstwert unterhalb der Grasnarbe befindet.
Stattdessen können Kinder mit positiven Vorbildern, Verständnis, Hilfe und Unterstützung lernen, ihre Gefühle und ihre Umgebung zu verstehen. Kinder brauchen unsere Geduld und sie brauchen auch unsere Anerkennung. Positive Beziehungen helfen Kindern, Strategien zu entwickeln, die ihnen in schwierigen Situationen helfen. Gleichzeitig bauen sie durch vertrauensvolle Beziehungen Selbstbewusstsein und Selbstwert auf. Sie lernen, was sie gut können, was sie schwieriger finden, was sie mögen oder gar nicht wollen. Kurz gesagt: Kinder brauchen positive Vorbilder und Liebe!
Kinder sind definitiv keine Hunde und doch erlaube ich mir in diesem Zusammenhang den Gedanken, dass ich mir ab und an wünsche, es würde so manchen Kindern mindestens so gut gehen wie manchen Hunden, zum Beispiel meinen.